Die Zitrusfrucht

Dieser Artikel ist (mit zahlreichen Abbildungen) 2019 im Sonderheft 51 „CITRUS. Zwischen Glanz und Gloria.“ (ISBN 978-3931621438) des Palmengartens Frankfurt erschienen.


Einführung
Statue in einem der Schreine in Nikko, Japan, einen Zweig mit goldenen Früchten haltend - Zitrusfrüchte?
Statue in einem der Schreine in Nikko, Japan, einen Zweig mit goldenen Früchten haltend – Zitrusfrüchte?

Man quetscht oder löffelt sie aus, pellt, kandiert, filetiert sie oder isst sie im Ganzen: die Zitrusfrüchte. Auch als Medizin nutzte man ihre Früchte. Man schätzte und schätzt sie auch heute noch als Vitamin-C-Bombe, obwohl zahlreiche andere Obst- und Gemüsesorten ihren Vitamin-C-Gehalt übertreffen. Damals wie heute sind und waren diese „Sauerfrüchte“ jedoch weit mehr als nur ein Obst. Die Früchte der Zitruspflanzen sind in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit und seit langer Zeit hochgeschätzt. Zitrusfrüchte, besonders ihre frühesten Vertreter, die weder die Süße noch die Saftigkeit heutiger Orangen oder Mandarinen erreicht hatten, dürften schon damals vor allem als Gewürz, Arznei und Aromalieferant nützlich gewesen sein. Bis heute sind Zitrusfrüchte aber vor allem auch ein Symbol für Reichtum, gesundes Leben und somit Gegenstand kultischer und religiöser Verehrung. Dies mag zum einen an ihrer zumeist goldenen Farbe liegen, zum anderen aber auch am Duft ihrer Früchte, Blüten und teilweise ihrer Blätter, sowie am üppigen, ausdauernden Fruchtschmuck. Auch dass sich Zitrusfrüchte nicht im selben Maße wie viele andere Früchte nutzen lassen, weil sie zu sauer oder bitter sind, könnte ursächlich für ihre Rolle als Statussymbol sein: Zitruspflanzen zu besitzen dient nicht der Grundversorgung mit Nahrung; es ist reiner Luxus. Zitruspflanzen wurden vor allem als Zierpflanzen geschätzt und dienten in herrschaftlichen Gärten als besondere, wohlduftende Objekte der Gartengestaltung.

1. Vom Hesperidium zur Panzerbeere

Eine besondere Frucht braucht einen besonderen Namen, und ein ganz besonderer Name für den botanischen Sonderfall der Zitrusfrüchte ist sicherlich Hesperidium. Linné prägte in der Mitte des 18. Jahrhunderts diese Bezeichnung; obgleich ihm damit der italienische Botaniker Giovanni Baptista Ferrari in seinem Werk „Hesperides sive de malorum aureorum cultura et usu libri quatuor“ aus dem Jahr 1646 und der Nürnberger Kaufmann Johann Christoph Volkamer mit „Nürnbergische Hesperides, oder gründliche Beschreibung der Edlen Citronat, Citronen, und Pomerantzen-Früchte“, Anfang des 18. Jahrhunderts) damit zuvorkamen. In der Renaissance und im Barock, also zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert, wollte man die „Goldenen Äpfel der Hesperiden“ als Orangen identifiziert haben und wandte den Begriff Hesperidium offenbar bereits an; eine Erfindung von Linné ist er damit offenbar nicht. Ob die „Äpfel“ bzw. „goldene Früchte der Hesperiden“ tatsächlich Zitrusfrüchte waren, ist dagegen äußerst fraglich, da für die damalige Zeit noch keine Zitrusfrüchte in Griechenland nachgewiesen werden konnten (Martz 2011).

Zitrusfrüchte wurden jenseits der Alpen erst viel später als im Mittelmeerraum kultiviert. Berühmt waren die von Patriziern angelegten barocken Hesperidengärten in Nürnberg. Vom 17. bis 18. Jahrhundert beherbergten sie eine umfangreiche Zitronen- und Pomeranzensammlung. Auch bei der Pomeranze (Citrus × aurantium) kommen diese „goldenen Äpfel“ nochmals etymologisch zum Vorschein: der Name leitet sich vom lateinischen pomum aurantium (pomum = Apfel, aurum = Gold) ab und bezieht sich auf die goldgelbe bis rötlichgelbe Farbe dieser Früchte.

Doch was bedeutet Hesperidium überhaupt und wer waren die Hesperiden? Es ist kompliziert: Die namensgebenden Hesperiden leiten sich vom Titan Hesperos ab, Vater der Hesperis, die mit Hesperos‘ Bruder Atlas die Hesperiden zeugte. In all diesen Namen von Figuren der griechischen Mythologie steckt das griechische Wort hespera, das Abend oder Westen bedeutet, weshalb Hesperos auch ein antiker Name für den Abendstern ist. Vor diesem Hintergrund erscheint der Sammelbegriff Hesperidium für Zitrusfrüchte irreführend, stammen diese doch nicht aus dem Westen, sondern aus dem fernen Osten, von den südöstlichen Ausläufern des Himalayas. Ins Abendland, nach „Hesperien“, das besonders Italien und Spanien bezeichnet, kamen die Zitrusfrüchte aber erst viel später. Heute ist „Hesperien“ ein bedeutendes Anbaugebiet für Orangen, zahlreiche Zuchtsorten stammen aus Italien.

Aus dem Italienischen stammt daher passenderweise auch eine weitere, sehr treffende Sammelbezeichnung für Zitrusfrüchte, nämlich Agrumen (Agrumi), was Sauerfrüchte bedeutet und sich auf den Geschmack bezieht. Noch heute sind in der italienischen und französischen Sprache Agrumi bzw. Agrumes die gängigen Bezeichnungen für Zitrusfrüchte.

Im Deutschen und Englischen sind die älteren Namen Zitrusfrüchte und citrus fruits verbreitet. Diese Namen leiten sich von der Zeder (griech. kédros) ab, da die Zitronat-Zitrone (auch Zedernapfel, Cedrat oder engl. Citron, ital. Cedri) wie zuvor schon das Zedernholz (lat. Cedrus) als Mottenabwehrmittel und zur Gewinnung von Duftölen genutzt wurde. Hier war also das olfaktorische Erlebnis ausschlaggebend für die Namenswahl.

Botanisch betrachtet ist die Zitrusfrucht eine Sonderform der Beere mit zumeist dicker, ledriger Haut. Daher sind unter Botanikern auch die Bezeichnungen Panzerbeere, die sie mit den Früchten der Kürbisgewächse teilt, und Endokarpbeere geläufig. Im allgemeinen Sprachgebrauch sind diese Bezeichnungen aber nicht verbreitet.

2. Anatomie der Endokarpbeeren
Querschnitte verschiedener Zitrusfrüchte

Die Endokarpbeere ist charakteristisch für Früchte der Gattung Citrus. Das Fruchtfleisch ist von einer ledrigen, manchmal extrem dicken Schale umgeben, die aus dem von Öldrüsen durchsetzten Exokarp (Flavedo) und dem weißlichen, schwammigen Mesokarp (Albedo) besteht. Die das Fruchtfleisch bildenden Saftschläuche werden vom unter dem Mesokarp gelegenen, vom Fruchtknoten gebildeten und als dünnes Häutchen erscheinenden Endokarp von außen nach innen angelegt. Es ist von Septen in einzelne Segmente oder „Schnitze“ geteilt, die sich abhängig von Art und Sorte leicht oder kaum voneinander trennen lassen. Dies hängt davon ab, wie stark die Septen während der Furchtreife degeneriert sind. Die Anzahl der Septen ist abhängig von der Anzahl der Fruchtblätter. Jedes Fruchtblatt bildet ein Segment. An der Frucht unterhalb des Stielansatzes ist diese Anzahl noch zu erkennen: Die kleinen Punkte, eigentlich die Leitbündel, entspricht der Zahl der Segmente innerhalb der Frucht. Der hohe Anteil von ätherischen Ölen in der Schale kann demonstriert werden, indem ein Stück des Exokarps, in dem sich die Öldrüsen befinden, vor einer Flamme geknickt wird, so dass das Öl aus den zerdrückten Drüsen ins Feuer spritzt. Die Öltröpfen entzünden sich beim Herausspritzen in der Flamme.

3. Farbe und Farbwechsel

Die Apfelsine ist in Deutschland schon seit 1350 aus Naturgeschichten bekannt, ihre Früchte kamen aber erst im 15. Jahrhundert nach West- und Zentraleuropa. Es dauerte nochmals etwa 200 Jahre, bis diese Südfrucht die Menschen nicht nur mit Vitamin C, sondern auch mit einem neuen Farbbegriff versorgte, dem Orange. Selbst Goethe (1749–1832) hatte die Farbbezeichnung Orange noch nicht in seinen Farbenkreis aufgenommen, obwohl ihm die Früchte schon vor Augen gekommen sein müssen – spätestens während seiner italienischen Reise. Goethe zeigte sich bei der Farbbeschreibung hier überraschend pragmatisch und nannte seinerzeit die Farbtöne zwischen Gelb und Rot je nach Tendenz Gelbroth und Rothgelb. Dabei war es damals wie heute durchaus üblich, Farben nach Vorbildern in der Natur zu benennen. Für den rotgelben bzw. gelbroten Mischfarbton gab es bis zum Bekanntwerden der Orangenfrucht die (wenig verwendete) Bezeichnung „Kreß“, die sich von der Kapuzinerkresse ableitete. So wie Violett (von Viola = Veilchen) und Lila (von franz. Lilas = Flieder) haben wir schließlich um 1700 mit dem Aufkommen der Orangerien auch den Begriff Orange aus dem Französischen übernommen. Dies galt sowohl für die Frucht, die man in Deutschland zunächst Apfelsine oder manchmal auch Oranienapfel (vom niederländischen Oranjeappel) nannte, als auch für die Farbe.

Oranien bzw. Oranien-Nassau ist übrigens die Bezeichnung für das niederländische Königshaus, dessen Anhänger früher Orangisten genannt wurden. Die Bezeichnung hat ursprünglich nichts mit einer Zitrusfrucht zu tun, sondern leitet sich von der südfranzösischen Grafschaft Orange ab. Die Grafschaft Orange hieß zunächst Arausio, wurde aber später durch die klangliche Ähnlichkeit des Namens in Orange geändert. Das heutige Wappen zeigt 3 Orangen mit grünem Astwerk.

Farben werden üblicherweise nur nach Vorbildern benannt, die allgemein bekannt sowie farblich konstant und typisch sind. Vermutlich waren Orangen zu Goethes Zeit in Deutschland noch nicht bekannt genug. Ein anderer Grund könnte sein, dass selbst die Orange bei Reife nicht unbedingt orangefarben ist: eine reife Orange ist normalerweise grün und die Ausfärbung markiert den Beginn der Alterung. In den Heimatländern der Zitruspflanzen ist es üblich, Orangen grün zu kaufen.

Querschnitt-Detail der buntlaubigen rosa Zitrone mit rötlichem Fruchtfleisch.

Bestimmte Bedingungen sind erforderlich, damit sich Zitrusfrüchte gelb oder orange färben. Bei Dunkelheit, guter Nährstoffzufuhr und Kälte werden grüne Chloroplasten in den Zellen in farbige Chromoplasten umgewandelt. Bei Licht, reduzierter Nährstoffzufuhr und höheren Temperaturen wird dieser Prozess umgekehrt. Dies bedeutet, dass die Früchte über den Sommer genügend Licht bekommen und im Herbst das Stickstoffangebot eher knapp sein sollte. Besonders wichtig sind größere Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Als ideal werden Tagestemperaturen über 20 °C, Nachttemperaturen unter 13 °C und Bodentemperaturen unter 12 °C angegeben. In fruchtreichen Jahren führt außerdem die Konkurrenz der Früchte untereinander an einem Baum bzw. Strauch zu früherer Reife und besserer Ausfärbung. Auch das Alter der Pflanzen spielt eine Rolle: ältere Bäume erzeugen besser ausgefärbte Früchte. Befördert werden kann der Prozess des Ausfärbens außerdem durch Ringeln der Bäume im Sommer. Zitrusfrüchte werden überwiegend im Winter bis ins Frühjahr geerntet. Ab September steigt der Saftgehalt in den Früchten und die Säure wird langsam abgebaut. In der Zeit von September bis Dezember erfolgt der Chlorophyll-Abbau, noch bis in den April können rotfärbende Carotinoide aufgebaut werden. Diese werden allerdings durch das Chlorophyll überdeckt, sofern es nicht abgebaut ist.

Weil eine grüne Fruchtfarbe aber bei uns als Zeichen der Unreife verstanden wird und folglich grüne Früchte nicht attraktiv erscheinen, werden reife, grüne Früchte schon seit über 100 Jahren nach der Ernte künstlich entgrünt. Der Prozess erfordert bestimmte Bedingungen, wie etwa Temperaturen unter 25 °C, eine bestimmte Luftfeuchtigkeit und CO2-Konzentration, sowie die Behandlung mit Fungiziden und Ethylen. Die natürliche Umfärbung muss zum Zeitpunkt der Ernte schon am Baum begonnen haben. Die künstliche Entgrünung wirkt sich negativ auf die Fruchtqualität aus, was aber in Kauf genommen wird, um den Fruchtreifevorstellungen der Kundschaft gerecht zu werden. Die Entgrünung führt dazu, dass die Früchte schneller altern und weniger lange haltbar sind. Die Säure wird abgebaut und das Aroma verändert, die Früchte werden anfälliger für Schäden und Krankheiten.

Um die von der Kundschaft erwartete orangene Farbe der Orangen im Supermarkt noch zu verstärken, werden diese meistens in roten Netzen angeboten. Man macht sich hier die sogenannte Munkersche Täuschung bzw. Munker-White-Täuschung zunutze, nach der die Farbe eines Gitters sich auf einen dahinterliegenden Farbton in der optischen Wahrnehmung überträgt. Ein gelbliches Orange wird also als roter wahrgenommen, wenn ein rotes Netz darübergelegt wird. Durch diesen Effekt erscheinen die im roten Netz enthaltenen Orangen selbst roter und dadurch attraktiver: sie werden häufiger gekauft. Darum würden auch Zitronen niemals in blauen oder violetten Netzen angeboten werden, sondern natürlich in gelben.

Rotfärbung der Roten Zitronatzitrone (Citrus limonimedica ‚Pigmentata‘)

Für die Rotfärbung einiger Zitrusfrüchte sind verschiedene Farbpigmente verantwortlich. Bei Blutorangen, der Roten Zitrone (Citrus limonimedica ‚Pigmentata‘) und der Tacle (Kreuzung aus Monreal-Clementine und Tarocco-Orange) wird das Flavonoid Anthocyan im Fruchtfleisch und in der Schale hervorgerufen. Die Rotfärbung bildet sich bevorzugt in trockenen Gebieten mit großen, täglichen Temperaturdifferenzen und Nachtfrösten. Die tiefroten Moro-Orangen wachsen beispielsweise auf den schwarzen, wärmestauenden Hängen des Ätna auf Sizilien (vgl. Kap. xy). Auch bei den Grapefruits gibt es Sorten mit rosa- bis rotfleischigen Früchten, hier allerdings durch das sonst auch in Tomaten vorkommende Carotinoid Lycopin, das sich bei hohen Sommertemperaturen in den Saftschläuchen anreichert. Rotfleischige Grapefruits sind künstlich durch Bestrahlung erzeugte Mutationszüchtungen (Stichwort „Atomic Gardening“). Die Varietät ‘Ruby Red‘ ist die älteste und wurde 1929 patentiert. Die ‘Star Ruby‘-Varietät ist die dunkelste aller roten Grapefruits, sie ist allerdings schwierig anzubauen und daher kommerziell weniger erfolgreich als andere Sorten.

4. Citrus als Nahrungsmittel

Alle Zitrusfrüchte sind grundsätzlich genießbar. Als wirklich essbar werden oft nur die (mehr oder weniger) süß schmeckenden Zitrusfrüchte wie Orangen, Mandarinen, Pampelmusen, Grapefruits und Kumquats wahrgenommen. Essbar heißt in diesem Falle, dass die Früchte wie anderes Obst ohne besondere Verarbeitung gegessen werden können. Essbar sind aber natürlich auch die zu diesem Zwecke zu sauren Zitronen, Limetten und Bergamotten, die manchen Menschen zu bitteren Pampelmusen, oder die mitwenig Fruchtfleisch und Saft ausgestatteten Zitronatzitronen und Pomeranzen. Statt als Tafelobst nutzen wir diese als Gewürz und Aromalieferant.

Die Pampelmuse (Citrus maxima) ist die größte aller Zitrusfrüchte und kann einen Durchmesser von 30 cm erreichen und bis zu 2 kg wiegen. Orange, Grapefruit und Pomelo wurden aus ihr gezüchtet, doch nur den letzten beiden vererbte sie ihr angenehm herb-bitteres Aroma. Sie werden wie Grapefruits gegessen, in Thailand wird ein Salat aus den zerlegten, stabilen Saftschläuchen bereitet. Die Oroblanco (Citrus maxima × Citrus paradisi), im Handel oft als „Sweetie“ erhältlich, ist der Grapefruit in Größe und Geschmack ähnlich, doch süßer. Nur die Membranen der einzelnen Segmente schmecken bitter. Sie wird grün verkauft.

Die sehr großen Zitronat- oder Zedratzitronen (Citrus medica) verfügen über eine sehr massive Albedo und wenig oder kaum Fruchtfleisch. In Form von Zitronat, also kandierter Albedo, dienen sie uns z. B. als wichtiges Kuchengewürz. Auf Sizilien werden Zedratzitronen in dünne Scheiben geschnitten, in Salz, Zucker, Pfeffer und Olivenöl eingelegt und als Cedri-Carpaccio serviert.

Orangen bzw. Apfelsinen (Citrus × sinensis) sind die am häufigsten angebauten Zitrusfrüchte der Welt. Sie werden hauptsächlich als Saft bzw. als Orangensaftkonzentrat international gehandelt. Mit Orangenscheiben lassen sich Getränke und Speisen dekorativ verzieren. Besonders im Winterhalbjahr werden bei uns Orangen auch häufig als vitaminreiches Frischobst verzehrt. Die Minneola-Orange (Grapefruit ‚Duncan‘ × Mandarine ‚Dancy‘) ist ein Grapefruit-Mandarinenhybride („Tangelos“), auffälligstes Merkmal dieser Frucht ist die Ausstülpung der Frucht zum Stielansatz.

Pomeranzen oder Bitterorangen (Citrus × aurantium) aromatisieren mit Extrakten aus ihren Schalen (seltener wird ihr Saft hierfür genutzt) zahlreiche Liköre wie Curaçao, Gran Manier, Cointreau und Triple Sec., die wichtige Zutaten in vielen Cocktails sowie in Mousse au Chocolat sind. Wie die Zitronatzitrone können Schale und Albedo kandiert und so zum bekannten Kuchengewürz Orangeat verarbeitet werden. Bekannt und geschätzt ist die Bitter-Orange auch als Marmelade. Der Begriff Marmelade darf in der EU kommerziell nur für Fruchtaufstriche aus Zitrusfrüchten verwendet werden, während Aufstriche aus anderen Früchten Konfitüre genannt werden müssen. Dabei kommt der Begriff Marmelade aus dem Portugiesischen (marmelo) und bedeutet Quitte!

Die Säure der Zitronen (Citrus ×  limon) wird in allerhand Speisen und Getränken genutzt und kann Essig ersetzen. Oft durch viel Zucker abgemildert, dient ihr Saft als Limonade zur Erfrischung. Das typische Zitronenaroma ist in zahlreichen Pflanzen zu finden, wie in Zitronen-Melisse, Zitronen-Geranie, Ingwer, Zitronengras, Zitronen-Verbene, Zitronen-Thymian und weiteren, doch fehlt allen dabei die prickelnde Zitronensäure. In Salzlake eingelegte Zitronen (Salzzitronen) sind eine Spezialität aus Marokko, die in der marokkanischen Landesküche große Bedeutung haben. Als wohlschmeckendste Zitrone gilt die Meyer-Zitrone (Citrus × meyeri). Sie ist eine Kreuzung aus Zitrone und Orange, hat eine milde Säure, mehr Süße und ein angenehmes Aroma. Wegen ihrer dünnen Schale ist sie aber druckempfindlich und darum nicht im Handel zu finden. Für Katzen ist Zitronensaft giftig.

Die Bergamotte (Citrus × limon = Citrus bergamia) bzw. das Bergamottenöl kennen wir hauptsächlich aus der Parfümerie sowie als Aroma im Earl-Grey- und Lady-Grey-Tea. Es aromatisiert daneben auch diverse Süßspeisen und Tabak. Der Saft der Bergamotte wird manchmal als Ersatz für Limettensaft genutzt und aus den ganzen Früchten eine besondere Bergamotten-Marmelade hergestellt. In Kalabrien werden Peperoni und Feigen in Bergamotten-Sirup eingelegt.

Mandarinen (Citrus reticulata), Clementinen (Citrus × aurantium), Tangerinen (Citrus tangerina) und Satsumas (Citrus × unshiu) sind kleine, abgeflachte, sehr süß und kaum sauer schmeckende Zitrusfrüchte, die besonders im Winter gegessen werden. Die Schale ist meistens leicht zu pellen, die einzelnen Fruchtsegmente leicht zu teilen. Clementinen und Satsumas sind (fast) kernlos. Meistens werden diese Früchte als Tafelobst gereicht, aber auch zu Säften verarbeitet. Filetiert und gehäutet werden die Fruchtsegmente von Mandarinen als Konserven gehandelt.

Als Limetten (franz. „kleine Limone“) werden vor allem die Echte Limette (Citrus × aurantiifolia) und die Gewöhnliche Limette (Citrus × latifolia) bezeichnet. Es sind kleinere, rundliche Zitrusfrüchte, die meistens grün und unreif genutzt werden. Von größter Bedeutung ist die Verwendung des sauren Fruchtsafts als würzende Zutat in der Küche oder als ein Hauptbestandteil im Cocktail Caipirinha. Reife Limetten werden selten genutzt. Auf der arabischen Halbinsel werden diese in Salzwasser gekocht und anschließend in der Sonne getrocknet, wobei sie sich dunkelbraun färben. Darum werden sie im Deutschen schwarze Zitronen genannt. Im Nahen Osten sind sie als Loomi bzw. Limo omani oder Limo amani bekannt. Sie dienen als Gewürz und werden oft angebohrt oder leicht zerdrückt in Eintöpfen und in Reisgerichten verwendet, denen sie einen intensiven Zitrusduft und ein spritziges, säuerliches Aroma verleihen. Auch aus den Blättern der Kaffir-Limette (Citrus hystix) wird aromatisches Öl extrahiert. Limettenblätter (manchmal auch Zitronenblätter genannt) werden ähnlich Lorbeerblättern als Ganzes frisch oder getrocknet zum Aromatisieren mitgekocht. In Südostasien werden auch die frischen, unreifen Früchte der Kaffier-Limette ähnlich wie die Loomi zum Würzen verwendet.

Die nur etwa 2-3 cm, selten bis etwa 6 cm länglichen Kumquats oder Zwergorangen werden im Ganzen gegessen. Eine weitere Besonderheit ist, dass nicht ihr Fruchtfleisch, sondern ihre Schale süß schmeckt. Das Fruchtfleisch ist prickelnd sauer. Die Limequat (Citrus × floridana) ist eine Kreuzung aus der Echten Limette (Citrus × aurantiifolia) und der Ovalen Kumquat (Citrus margarita).

Die Finger-Limetten (Citrus australasica) sind in Australien beheimatet und werden auch Limettenkaviar genannt: Die einzeln zerfallenden, runden Fruchtsegmente verfeinern und dekorieren Sekt oder Desserts und sind hauptsächlich in der Gourmetküche zu finden.

5. Künstliche Konservierungsstoffe an Zitrusfrüchten

Im Handel erhältliche Zitrusfrüchte werden oft mit Wachsen behandelt, denen meist Konservierungsstoffe wie Thiabendazol (E 233), Orthophenylphenol (E 231), Natriumorthophenylphenol (E 232), Biphenyl (E 230) und Imazalil zugesetzt werden. Seit einigen Jahren müssen so behandelte Früchte gekennzeichnet werden, da ihre Schale nicht mehr zum Verzehr geeignet ist. Diese Stoffe sollen vor gesundheitsschädlichen Schimmelpilzen schützen, sind aber selbst gesundheitlich nicht unbedenklich. Früchte in Bioqualität dürfen nicht behandelt werden, weshalb die Schale zum Verzehr geeignet ist. Wer die Schale von konventionellen, mit Konservierungsstoffen behandelten Früchte essen will, sollte diese zumindest unter heißem Wasser gründlich abspülen.

6. Lebensmittelzusatzstoffe

Aus Zitrusfrüchten wird ein Lebensmittelzusatzstoff hergestellt, nämlich die Citrusfaser. Sie wird aus den entölten, entsafteten und getrockneten Schalen gewonnen, die wie Äpfel viel Pektin enthalten. Es dient als Ballaststoff, Füll- und Bindemittel. Es handelt sich um ein meist stark gereinigtes, weißes (manchmal auch braunes) Pulver, das kalt quellend ist, ein hohes Wasserbindungsvermögen hat, die Verdauung fördert und sättigend wirkt. Wegen dieser Eigenschaften wird Citrusfaser in Reformhäusern auch als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Je nach Verarbeitungsgrad kann Citrusfaser noch nach Zitrone bzw. Orange schmecken oder auch geschmacksneutral sein. Neben vielen anderen Anwendungen in der Lebensmittelindustrie wie zum Beispiel in Getränken kommt Citrusfaser in glutenfreien Backwaren zum Einsatz, wo die klebende Eigenschaft des Glutens fehlt, die zum Backen benötigt wird.

7. Küchenutensilien für Zitrusfrüchte

Um Zitrusfrüchte auf verschiedenste Weise in der Küche nutzen zu können, wurden spezielle Küchenwerkzeuge entwickelt. In sicherlich keinem Haushalt fehlt die Zitronenpresse, mit deren Hilfe der Saft aus Zitrusfrüchten gedrückt werden kann. Um die aromatische Schale (das von Öldrüsen durchsetzte, farbige Exokarp) von Zitrusfrüchten ohne die darunterliegende, bitter schmeckende Albedo zum Aromatisieren zu nutzen, kann man diese entweder an einer Gemüsereibe abreiben oder einen speziellen Zestenreißer oder Zesteur (auch Zestenschneider, Zestenschaber) benutzen. Mit speziellem Grapefruitbesteck lassen sich Grapefruits einfacher auslöffeln. Und für die Herstellung einer guten Caipirinha ist der Stößel unverzichtbar, mit dem die halbierten Limetten zerdrückt und so das Aroma in der Schale freigesetzt werden kann. Nicht für die eigene Küche bestimmt ist dagegen die für die Extraktion des Bergamottenöls 1844 von Nicola Barilla entwickelte Macchina calabrese.

8. Zitrusfrüchte als Arzneimittel und Duftstoff

Die Pharmazie gewinnt aus den Schalen der Zitrusfrüchte das Flavonoid Hesperidin, besonders hoch ist der Gehalt in Tangelos (Hybride aus Grapefruit ‚Duncan‘ × Mandarine ‚Dancy‘). Dieses soll einen entzündungshemmenden und schmerzlindernden Effekt haben und gegen Krampfadern und Hämorrhoiden wirksam sein.

Einige Inhaltsstoffe der Zitrusfrüchte gehen Wechselwirkungen mit Medikamenten ein. Besonders die in der Grapefruit enthaltenen Stoffe Naringenin, 6′,7′-Dihydroxybergamottin und Bergamottin verzögern durch eine Hemmung bestimmter Enzyme die Umsetzung verschiedener Stoffe. Dadurch wird auch die Wirkung und Wirkdauer verschiedener Arzneien beeinflusst. Die Grapefruit hat aber auch sehr positive Eigenschaften. Sie verbessert direkt nach dem Verzehr den Zuckerstoffwechsel und senkt auf diese Weise den Blutzuckerspiegel. Dadurch kann die Grapefruit beim Abnehmen helfen und Diabetes mellitus vorbeugen. Alle Zitrusfrüchte enthalten überdies reichlich Antioxidantien.

Zitrusfrüchte sind besonders für ihren Gehalt an Vitamin C bekannt und müssen oft als Referenz bei Vergleichen herhalten. Legendär ist ihr Nutzen für die Seefahrt. Der britische Schiffsarzt James Lind konnte 1754 in einer für damalige Verhältnisse sehr modernen Studie zeigen, dass Zitrusfrüchte gegen den gefürchteten Skorbut halfen. Als man in der britischen Seefahrt auf Limetten und Limettensaft umstellte, brach die Krankheit erneut aus, da Limetten deutlich weniger Vitamin C enthalten als Zitronen. Neben Zitronen- oder Limettensaft, der oft in eingekochter Form mitgeführt wurde, wurden auch Sauerkraut und Kartoffeln an Bord genommen. Von der täglichen Ration Zitrussaft stammt der Spitzname Limey der englischen Matrosen im Gegensatz zu den Sauerkraut essenden Krauts.

Zitronensaft wurde in früheren Zeiten neben vielen anderen Substanzen manchmal als Verhütungsmittel eingesetzt. Dafür wurde eine Intimdusche aus Wasser mit Essig, Alaun oder Zitronensaft eingesetzt, das eine spermizide Wirkung haben soll. Heute gelten diese Mittel als nicht sicher und teilweise sogar als gesundheitsschädlich. Angeblich wurde Zitronensaft schon in Ägypten vor 4000 Jahren als Verhütungsmittel verwendet (Hopkins 1965).

Auch andere Zitrusfrüchte sind für die Parfümindustrie unentbehrlich. Aus den reifen Fruchtschalen der Pomeranze wird Bitterorangenöl, aus den Schalen unreifer Früchte Petitgrainöl gewonnen.

9. Zitrusfrüchte in Zitaten und Redensarten (Auszug)

Im Spanischen nennt man den Ehepartner manchmal gerne „mi media naranja“, was mit „meine Orangenhälfte“ übersetzt werden kann. Es heißt, dass keine Orange der anderen gleiche, und dass eine halbierte Orange nur mit der anderen Hälfte derselben Frucht zusammenpasse, nicht mit der Hälfte einer anderen Frucht. Ebendies treffe also auf die Eheleute zu, die zueinander gehören wie niemand sonst. Der Ausspruch entspricht etwa unserer „besseren Hälfte“.

Der saure Geschmack von Zitronen (Citrus × limon), auch Limonen genannt, ist sprichwörtlich, und wir meinen zu wissen, dass sauer lustig macht. Das Sprichwort hieß ursprünglich allerdings “sauer macht essen“, womit gemeint war: “sauer macht Appetit“, also Lust auf Essen. 1817 schrieb Valentin Wudrian: „Darum, gleichwie man einem, der keine Lust zu essen hat, etwas sauers gibt: dahero das Sprüchwort kommen: Sauer macht essen.“

Dem französischen Maler, Grafiker und Mitbegründer des Kubismus Georges Braque wird das Zitat zugeschrieben: „Legt man eine Zitrone neben eine Orange, hören sie auf, Zitrone und Orange zu sein. Sie werden Früchte.“ Tatsächlich gehören zu seinen Arbeiten Stillleben mit Früchten, von denen einige auch den Zitrusfrüchten angehören.

Ein bekanntes Sprichwort sagt: „Wenn Dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade daraus,eine abgewandelte Form besagt, man solle in diesem Fall nach Salz und Tequila fragen.

 

 


Verwendete und weiterführende Literatur

Hopkins, K. 1965: Contraception in the Roman Empire. – Comparative studies in society and history (CSSH) 8: 124-151.

Martz, J. 2011: Zur unbekannten Kupferstichserie für einen dritten Band der „Nürnbergischen Hesperides“. – Die Gartenkunst 23: 151–194.

Osman, N. (Hrsg) 2010: Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft. 8. Aufl. – München.

Internetseiten

Sprichwort „Meine bessere Hälfte“: https://interfluency.wordpress.com

Sprichwort „sauer macht lustig“: https://www.redensarten-index.de/

PDF: Ulrike Bickelmann 2007: 26. Internationale Arbeitstagung Qualitätskontrolle Obst & Gemüse, Entgrünung von Zitrusfrüchten – Fluch oder Segen für die Qualität.

http://www.scienceticker.info/2012/03/19/wie-das-blut-in-die-blutorange-kommt/

Karl Ernst Georges, ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch; „aurum“, Usprung des Ausdruckes der Hesperiden: http://www.zeno.org

© Jennifer Markwirth 2024, https://flora-obscura.de/
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