Die Borassus-Palmen: Toddy und vieles mehr

Dieser Artikel ist im Begleitheft zur Palmen-Ausstellung des Palmengartens Frankfurt erschienen: Sonderheft 50 – „Palmen“ (ISBN 978-3-931621-42-1)


Der Gattungsname Borassus leitet sich vom griechischen Wort borassos ( = unreifer Blütenstand der Dattelpalme) ab. Benannt wurde die Gattung von Carl von Linné im Jahr 1753, Typusart ist Borassus flabellifer. Die Gattung umfasst fünf Arten:

  1. Borassus flabellifer 1753, (Palmyrapalme, Lontar- oder Lontaropalme, wörtlich „einen Fächer tragend“), Indien bis Indo-China, Java und Sunda-Inseln.
  2. Borassus aethiopum MART. 1838 (Äthiopische Palmyrapalme, Delebpalme), Tropisches und südliches Afrika, Komoren, Nordwest-Madagaskar.
  3. Borassus akeassii BAYTON, OUÉDR. & GUINKO 2006 (Ake Assi’s Palmyrapalme), Westliches und zentrales tropisches Afrika.
  4. Borassus heineanus BECC. 1914 Neu-Guinea-Palmyrapalme), Nördliches Neu-Guinea.
  5. Borassus madagascariensis (JUM. & H.PERRIER) BOJER EX JUM. & H.PERRIER 1913 (Madagaskar-Palmyrapalme), westliches Madagaskar.

1. Verbreitung

Die Palmengattung Borassus wird von fünf Arten vertreten, von denen drei auf dem af­rikanischen Kontinent und Madagaskar ihre Heimat haben und zwei weitere in Süd- und Südostasien bis nach Neu-Guinea zu Hause sind. Hier besiedeln Borassus-Palmen heiße, offene Trockengebiete bis in Höhen von etwa 800 m, wobei die tieferen Lagen auf Meeres­niveau bevorzugt werden. Die Palmyra- oder auch Lontarpalme (Borassus flabellifer) ist waldbildend.

Äthiopische Palmyrapalme im Botanischen Garten Kinshasa, Demokratische Republik Kongo

2. Habitus

Borassus-Palmen werden aufgrund ihrer pal­maten, handartigen Blätter den Fächerpalmen zugerechnet und bilden einen beinahe runden, in der Mitte leicht eingeschnürt wirkenden Blattschopf. Nach oben werden neue Blätter gebildet und dabei die älteren Blätter zunächst zur Seite gedrängt. Abgestorbene Blätter bil­den im unteren Bereich des Schopfes eine Art Mantel und fallen nach einiger Zeit ab. Sie lassen einen relativ glatten, unbewehrten Einzelstamm zurück, der unterhalb des Kro­nenschaftes noch von gitterartig verwobenen Blattfasern bedeckt ist. Alle fünf Arten wer­den recht groß, wobei die Äthiopische Pal­myrapalme (B. aethiopum) sogar die größte aller afrikanischen Palmen ist. Die Blätter der Borassus-Palmen erreichen Durchmesser von 3 m, ihre Stämme können 30 m hoch werden und damit viele andere Palmen überragen.

Borassus-Palmen sind zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Pflanzen. Männliche Blüten sind kleiner als weibliche und werden sehr zahlreich gebildet, sie wach­sen zu 30 bis 70 Stück in Blütenständen. Aus den weiblichen Blüten gehen große, bis 2 kg schwere Steinfrüchte hervor, die jeweils ein bis drei Samen enthalten. Das die etwa wal­nuss- bis pflaumengroßen Steinkerne dick umschließende Fruchtfleisch ist sehr faserig und ähnelt dem Mesokarp der jungen, grünen Kokosnüsse oder extrem faserreichen Man­go-Sorten. Die Samen enthalten ein klares bis weißliches geleeartiges Nährgewebe. Die Keimzeit der Samen beträgt etwa 3–6 (B. fla­bellifer: 9) Monate, nach weiteren 2–3 Mo­naten erscheinen die ersten Laubblätter. Die Keimung kann beschleunigt werden, indem die äußere Schale eingeschnitten wird oder die Samen mehrere Tage in Wasser einge­weicht werden. Erst nach wenigstens 15 Jah­ren erscheinen die ersten Blüten.

3. Nutzung

Borassus-Palmen werden intensiv genutzt, nahezu jedes Pflanzenteil findet für die ver­schiedensten Zwecke Verwendung. So kön­nen z.B. junge Sämlinge gekocht als Gemüse verzehrt werden. Zu den am intensivsten ge­nutzten Palmenarten, nicht nur innerhalb der Gattung Borassus, gehört die in Asien und auf den Sunda-Inseln beheimatete Palmyra­palme. Doch auch die aus dem tropischen Af­rika und Madagaskar stammende Äthiopische Palmyra- oder Delebpalme wird auf gleiche Weise genutzt, wobei B. flabellifer die einzi­ge kultivierte Art ist. Die Wildpopulation von B. aethiopum ist durch vermehrte Nutzung deshalb im Rückgang begriffen.

Rest eines abgefallenen Fruchtstandes
3.1 Palmzucker

Aus den männlichen Blütenständen können durch Umwickeln, Zerquetschen, Anschnei­den und Kappen pro Tag bis zu 2 Liter süßer Blutungssaft gewonnen werden. Dieser wird in Behältern (meistens aus Ton) gesammelt, abgesiebt und zügig weiterverarbeitet, da er sonst sofort zu gären beginnt. Eine andere Möglichkeit, diesen süßen Saft zu gewinnen, besteht im Fällen der ganzen Palme, wobei der Stamm anschließend am unteren Ende in Brand gesetzt wird. Das Feuer treibt den Saft aus dem gekappten oberen Ende heraus. Der Blutungssaft der Palmyrapalmen wird zwei Mal am Tag geerntet, wobei der gewonnene Saft je nach Tageszeit unterschiedliche Qua­litäten hat: der früh morgens gesammelte, milchig weiße Saft ist süß, der am späten Nachmittag gesammelte, bereits leicht fer­mentierte Saft schmeckt säuerlich. Manch­mal wird der Säurebildung durch Zugabe von Kalzium entgegengesteuert. Sowohl der Saft vom frühen Morgen als auch der vom Nachmittag können direkt als Erfrischungs­getränk dienen, allerdings ist letzterer durch natürliche Vergärung bereits leicht alkoho­lisch. Der Gärungsprozess kann mit etwas Limettensaft gebremst werden. Der natür­lich gegärte, ca. 4–6 % Alkohol enthaltende Saft wird Toddy genannt. Frischer Toddy wird in Toddybars angeboten und mit Eis serviert. Er ist jedoch ohne Weiterverarbei­tung nicht länger als bis 24 Stunden nach der Ernte genießbar, da sich zunehmend Säuren bilden. Aus Palmzucker gewonnener Palm­wein (ebenfalls u. a. Toddy genannt) und Palmschnaps dagegen sind deutlich länger haltbar.

Zur Herstellung von Palmzucker und dar­aus gewonnener Produkte wird der Saft durch Kochen zunächst zu einem Sirup eingedickt und dann unter ständigem Rühren und Schla­gen solange weiter erhitzt, bis er zu Zucker auskristallisiert. Dieser Zucker kann ähnlich wie Rohrzucker verwendet werden oder zu Palmwein (in Nigeria Ogogoro, Ghana Ak­peteshi oder Burukutu, in Togo und Benin, an der Elfenbeinküste Koutoukou) und Palmschnaps (Arrack) vergoren und destilliert werden. Auch Palmessig wird aus dem vergorenen Zuckersaft hergestellt. Palm­zucker besteht hauptsächlich aus Saccharose und schmeckt etwas karamellartig. Toddy und Palmzucker werden aus vielen Palmen­arten gewonnen, andere Bezeichnungen für den in Form von massiven Blöcken ver­kauften Zucker sind Agara oder Jagrezucker (engl. jaggery). Dass auch die Palmyrapal­men traditionell hierfür verwendet werden, beweisen auch ihre englischen Namen toddy palm und wine palm. Während ihrer 40-jäh­rigen Lebenszeit können von einer einzigen Palme bis zu 100 000 Liter Palmwein gewon­nen werden.

3.2 Baumaterial
Epiphyten am Stamm einer Palmyrapalme

Der aus dem Blutungssaft gewonnene Sirup wurde nicht nur als Genuss- und Süßungs­mittel verwendet. In früheren Zeiten diente dieser sogar als Zusatz in Mörtel und Putz beim Bau von Wohnhäusern und Tempeln. Die Stämme werden als festes, dauerhaftes Bauholz genutzt, da es sehr resistent gegen­über Termitenbefall und Fäulnis ist. In den Lehmmoscheen von Timbuktu wurde das Holz der Äthiopischen Palmyrapalme als Balken verbaut.

3.3 Palmyrafasern und Palmblattmanuskripte

Aus den Blattrippen der Palmyrapalmen werden 30–50 cm lange Fasern (Palmyrafa­sern oder Bassine) für Bürsten, Besen, Mat­ten, Körbe und andere Zwecke gewonnen. Die ganzen Blätter wurden außerdem als Abdeckung von Dächern und einzelne Blatt­segmente als Flechtwerk genutzt. Besondere Bedeutung haben die Blätter der Borassus- oder Lontarpalme aber als Schreibmaterial für die sogenannten Lontarbücher Balis. In Süd- und Südostasien diente die Talipotpal­me (Corypha umbraculifera) als Schreib­material, bis diese im 16. Jahrhundert von Borassus flabellifer verdrängt wurde. Im Mu­seum Gedong Kirtya auf Bali werden mehr als 1 700 dieser Lontarbücher aufbewahrt. Sie sehen etwa aus wie Jalousien, weil die einzelnen Palmblattsegmente in der Länge zurechtgeschnitten und mit von einer durch Löcher in der Mitte, längere durch Schnüre an den beiden Enden gefädelten Schnur zu­sammengehalten werden. Jedes der braunen Blätter ist beidseitig beschrieben, manche sind mit filigranen Zeichnungen versehen.

Beschrieben oder besser graviert wurden Lontar mit einem sehr scharfen Gravurmes­ser, dem Pengrupak. Mit einer schwarzen Tinte aus Asche und Kemirinussöl (Aleurites moluccana) werden die kaum erkennbaren Gravuren eingerieben und die Gravur damit sichtbar gemacht. Die Blätter selbst werden in einem langwierigen Verfahren haltbar gemacht: Sie werden mehrmals über viele Wochen hinweg gewässert, getrocknet und gepresst. Je nach Schätzungen existieren auf Bali noch zwischen 10 000 und 50 000 Lontar. Die meisten davon befinden sich im Privatbesitz von balinesischen Sammlern, Hindupriestern und Heilern, wie dem durch den Film „Eat Pray Love“ berühmt geworde­nen Ketut Liyer in Ubud. Das älteste Lontar­buch in der Bibliothek in Singaraja stammt aus dem 14. Jahrhundert. Doch auch heute noch werden Lontarbücher hergestellt, um die alte Tradition zu bewahren.

Im Botanischen Garten Kinshasa zeigt uns unsere Führerin eine abgefallene Frucht von Borassus aethiopum
3.4 Früchte und Samen

Das die Samen umgebende, faserige Gewe­be kann bei voller Reife roh, geröstet oder gekocht gegessen werden. Geschmacklich soll es an Kokos erinnern. Die Bengalen fertigen zum Beispiel einen Palmfruchtpud­ding (Taler Kheer (externer Link zur Zubereitung, Video)) oder Palmfruchtpakora (Taler Bora) aus dem Fruchtfleisch reifer Palmfrüchte. Dafür wird das gelbe, faserige Fruchtfleisch durch eine einfache Gemüse­reibe gerieben, so dass sich der süße, breiige Fruchtanteil aus den Fasern löst und wei­terverarbeitet werden kann. Das weißliche Nährgewebe der noch unreifen Frucht äh­nelt dem geleeartigen Gewebe aus dem In­nern junger Kokosnüsse oder, rein optisch, einer geschälten, kernlosen Litschi. Mehr oder weniger grob von der holzigen Stein­kernwand befreit, werden die Samen oft in großen Körben auf Märkten angeboten. Das Nährgewebe kann roh oder geröstet geges­sen werden.

3.5 Mehl und Stärke

Das Wurzelmark der Palmen liefert durch Trocknung Sago (Stärke in Form von Kügel­chen). In Sri Lanka werden gekeimte Samen und junge Sprosse geröstet und gemahlen und so ein Mehl (Odiyal) aus ihnen hergestellt. Eine andere Form von Mehl wird gewonnen, indem die Sprosse in der Sonne getrocknet, gekocht, wieder getrocknet und dann gemah­len werden. Dieses Mehl wird auf Sri Lanka, wo diese Prozedur üblich ist, Pulukodiyal ge­nannt. Mehl aus Palmyrasprossen ist jedoch für Nieren und Leber giftig, wenn es nicht mindestens 45 Minuten lang auf über 80°C erhitzt wurde.

3.6 Insektenabwehr

Im Kongo und anderswo in den afrikanischen Tropen nutzt man die reifen und überreifen Früchte von Borassus aethiopum als Repellent gegen Moskitos: die intensiv fruchtig duftenden, orange gefärbten Früchte stellt man ins Schlafzimmer. Der Geruch verbreitet sich im ganzen Raum und soll Moskitos fern halten.

3.7 Pottasche

Durch Verbrennen der Blätter kann Pottasche gewonnen werden.

 


Quellenverzeichnis:

  1. Palmen, David Jones, Verlag Könemann (2000)
  2. Cultivated Palms of the world, Don & Anthony Ellison, Verlag Betrocks Information Systems (1815)
  3. Dorothee Gruner, Die Lehmmoschee am Niger, S. 65 f. , Franz Steiner Verlag; Auflage: 1 (1. Januar 1990)
  4. Die geheimnisvollen Bücher von Bali“ von Michael Lenz, Spektrum der Wissenschaft, 30.10.2015
  5. Toddy Palm Wine: A Promising Industry for Andhra Pradesh & Telangana. Huge Naturally Grown Toddy Palms Available. Just Focus to Source Technologies.“ von Osk Reddy, 01.05.2016
  6. Palmyrapalme„, Lexikon der Biologie, Spektrum der Wissenschaft
  7. „Hidden treasures of palmyrah“ von Natasha Gunaratne, Financial Times, 01.04.2007
  8. Kew Science
  9. Some studies on the neurotoxic effect of palmyrah odiyal flour“ von P. Shlromi Perera, E.R. Jansz and H. Peiris, Department of Biochemistry, Faculty of Medical Sciences, University of Sri Jayewardenepura, Nugegoda, Sri Lanka.
  10. www.palms.org/palmsjournal/2011/vol55n3p117-121.pdf
© Jennifer Markwirth 2024, https://flora-obscura.de/
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