Dieser Artikel ist im Begleitheft zur Palmen-Ausstellung des Palmengartens Frankfurt erschienen: Sonderheft 50 – „Palmen“ (ISBN 978-3-931621-42-1)
Der Gattungsname Borassus leitet sich vom griechischen Wort borassos ( = unreifer Blütenstand der Dattelpalme) ab. Benannt wurde die Gattung von Carl von Linné im Jahr 1753, Typusart ist Borassus flabellifer. Die Gattung umfasst fünf Arten:
Die Palmengattung Borassus wird von fünf Arten vertreten, von denen drei auf dem afrikanischen Kontinent und Madagaskar ihre Heimat haben und zwei weitere in Süd- und Südostasien bis nach Neu-Guinea zu Hause sind. Hier besiedeln Borassus-Palmen heiße, offene Trockengebiete bis in Höhen von etwa 800 m, wobei die tieferen Lagen auf Meeresniveau bevorzugt werden. Die Palmyra- oder auch Lontarpalme (Borassus flabellifer) ist waldbildend.
Borassus-Palmen werden aufgrund ihrer palmaten, handartigen Blätter den Fächerpalmen zugerechnet und bilden einen beinahe runden, in der Mitte leicht eingeschnürt wirkenden Blattschopf. Nach oben werden neue Blätter gebildet und dabei die älteren Blätter zunächst zur Seite gedrängt. Abgestorbene Blätter bilden im unteren Bereich des Schopfes eine Art Mantel und fallen nach einiger Zeit ab. Sie lassen einen relativ glatten, unbewehrten Einzelstamm zurück, der unterhalb des Kronenschaftes noch von gitterartig verwobenen Blattfasern bedeckt ist. Alle fünf Arten werden recht groß, wobei die Äthiopische Palmyrapalme (B. aethiopum) sogar die größte aller afrikanischen Palmen ist. Die Blätter der Borassus-Palmen erreichen Durchmesser von 3 m, ihre Stämme können 30 m hoch werden und damit viele andere Palmen überragen.
Borassus-Palmen sind zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Pflanzen. Männliche Blüten sind kleiner als weibliche und werden sehr zahlreich gebildet, sie wachsen zu 30 bis 70 Stück in Blütenständen. Aus den weiblichen Blüten gehen große, bis 2 kg schwere Steinfrüchte hervor, die jeweils ein bis drei Samen enthalten. Das die etwa walnuss- bis pflaumengroßen Steinkerne dick umschließende Fruchtfleisch ist sehr faserig und ähnelt dem Mesokarp der jungen, grünen Kokosnüsse oder extrem faserreichen Mango-Sorten. Die Samen enthalten ein klares bis weißliches geleeartiges Nährgewebe. Die Keimzeit der Samen beträgt etwa 3–6 (B. flabellifer: 9) Monate, nach weiteren 2–3 Monaten erscheinen die ersten Laubblätter. Die Keimung kann beschleunigt werden, indem die äußere Schale eingeschnitten wird oder die Samen mehrere Tage in Wasser eingeweicht werden. Erst nach wenigstens 15 Jahren erscheinen die ersten Blüten.
Borassus-Palmen werden intensiv genutzt, nahezu jedes Pflanzenteil findet für die verschiedensten Zwecke Verwendung. So können z.B. junge Sämlinge gekocht als Gemüse verzehrt werden. Zu den am intensivsten genutzten Palmenarten, nicht nur innerhalb der Gattung Borassus, gehört die in Asien und auf den Sunda-Inseln beheimatete Palmyrapalme. Doch auch die aus dem tropischen Afrika und Madagaskar stammende Äthiopische Palmyra- oder Delebpalme wird auf gleiche Weise genutzt, wobei B. flabellifer die einzige kultivierte Art ist. Die Wildpopulation von B. aethiopum ist durch vermehrte Nutzung deshalb im Rückgang begriffen.
Aus den männlichen Blütenständen können durch Umwickeln, Zerquetschen, Anschneiden und Kappen pro Tag bis zu 2 Liter süßer Blutungssaft gewonnen werden. Dieser wird in Behältern (meistens aus Ton) gesammelt, abgesiebt und zügig weiterverarbeitet, da er sonst sofort zu gären beginnt. Eine andere Möglichkeit, diesen süßen Saft zu gewinnen, besteht im Fällen der ganzen Palme, wobei der Stamm anschließend am unteren Ende in Brand gesetzt wird. Das Feuer treibt den Saft aus dem gekappten oberen Ende heraus. Der Blutungssaft der Palmyrapalmen wird zwei Mal am Tag geerntet, wobei der gewonnene Saft je nach Tageszeit unterschiedliche Qualitäten hat: der früh morgens gesammelte, milchig weiße Saft ist süß, der am späten Nachmittag gesammelte, bereits leicht fermentierte Saft schmeckt säuerlich. Manchmal wird der Säurebildung durch Zugabe von Kalzium entgegengesteuert. Sowohl der Saft vom frühen Morgen als auch der vom Nachmittag können direkt als Erfrischungsgetränk dienen, allerdings ist letzterer durch natürliche Vergärung bereits leicht alkoholisch. Der Gärungsprozess kann mit etwas Limettensaft gebremst werden. Der natürlich gegärte, ca. 4–6 % Alkohol enthaltende Saft wird Toddy genannt. Frischer Toddy wird in Toddybars angeboten und mit Eis serviert. Er ist jedoch ohne Weiterverarbeitung nicht länger als bis 24 Stunden nach der Ernte genießbar, da sich zunehmend Säuren bilden. Aus Palmzucker gewonnener Palmwein (ebenfalls u. a. Toddy genannt) und Palmschnaps dagegen sind deutlich länger haltbar.
Zur Herstellung von Palmzucker und daraus gewonnener Produkte wird der Saft durch Kochen zunächst zu einem Sirup eingedickt und dann unter ständigem Rühren und Schlagen solange weiter erhitzt, bis er zu Zucker auskristallisiert. Dieser Zucker kann ähnlich wie Rohrzucker verwendet werden oder zu Palmwein (in Nigeria Ogogoro, Ghana Akpeteshi oder Burukutu, in Togo und Benin, an der Elfenbeinküste Koutoukou) und Palmschnaps (Arrack) vergoren und destilliert werden. Auch Palmessig wird aus dem vergorenen Zuckersaft hergestellt. Palmzucker besteht hauptsächlich aus Saccharose und schmeckt etwas karamellartig. Toddy und Palmzucker werden aus vielen Palmenarten gewonnen, andere Bezeichnungen für den in Form von massiven Blöcken verkauften Zucker sind Agara oder Jagrezucker (engl. jaggery). Dass auch die Palmyrapalmen traditionell hierfür verwendet werden, beweisen auch ihre englischen Namen toddy palm und wine palm. Während ihrer 40-jährigen Lebenszeit können von einer einzigen Palme bis zu 100 000 Liter Palmwein gewonnen werden.
Der aus dem Blutungssaft gewonnene Sirup wurde nicht nur als Genuss- und Süßungsmittel verwendet. In früheren Zeiten diente dieser sogar als Zusatz in Mörtel und Putz beim Bau von Wohnhäusern und Tempeln. Die Stämme werden als festes, dauerhaftes Bauholz genutzt, da es sehr resistent gegenüber Termitenbefall und Fäulnis ist. In den Lehmmoscheen von Timbuktu wurde das Holz der Äthiopischen Palmyrapalme als Balken verbaut.
Aus den Blattrippen der Palmyrapalmen werden 30–50 cm lange Fasern (Palmyrafasern oder Bassine) für Bürsten, Besen, Matten, Körbe und andere Zwecke gewonnen. Die ganzen Blätter wurden außerdem als Abdeckung von Dächern und einzelne Blattsegmente als Flechtwerk genutzt. Besondere Bedeutung haben die Blätter der Borassus- oder Lontarpalme aber als Schreibmaterial für die sogenannten Lontarbücher Balis. In Süd- und Südostasien diente die Talipotpalme (Corypha umbraculifera) als Schreibmaterial, bis diese im 16. Jahrhundert von Borassus flabellifer verdrängt wurde. Im Museum Gedong Kirtya auf Bali werden mehr als 1 700 dieser Lontarbücher aufbewahrt. Sie sehen etwa aus wie Jalousien, weil die einzelnen Palmblattsegmente in der Länge zurechtgeschnitten und mit von einer durch Löcher in der Mitte, längere durch Schnüre an den beiden Enden gefädelten Schnur zusammengehalten werden. Jedes der braunen Blätter ist beidseitig beschrieben, manche sind mit filigranen Zeichnungen versehen.
Beschrieben oder besser graviert wurden Lontar mit einem sehr scharfen Gravurmesser, dem Pengrupak. Mit einer schwarzen Tinte aus Asche und Kemirinussöl (Aleurites moluccana) werden die kaum erkennbaren Gravuren eingerieben und die Gravur damit sichtbar gemacht. Die Blätter selbst werden in einem langwierigen Verfahren haltbar gemacht: Sie werden mehrmals über viele Wochen hinweg gewässert, getrocknet und gepresst. Je nach Schätzungen existieren auf Bali noch zwischen 10 000 und 50 000 Lontar. Die meisten davon befinden sich im Privatbesitz von balinesischen Sammlern, Hindupriestern und Heilern, wie dem durch den Film „Eat Pray Love“ berühmt gewordenen Ketut Liyer in Ubud. Das älteste Lontarbuch in der Bibliothek in Singaraja stammt aus dem 14. Jahrhundert. Doch auch heute noch werden Lontarbücher hergestellt, um die alte Tradition zu bewahren.
Das die Samen umgebende, faserige Gewebe kann bei voller Reife roh, geröstet oder gekocht gegessen werden. Geschmacklich soll es an Kokos erinnern. Die Bengalen fertigen zum Beispiel einen Palmfruchtpudding (Taler Kheer (externer Link zur Zubereitung, Video)) oder Palmfruchtpakora (Taler Bora) aus dem Fruchtfleisch reifer Palmfrüchte. Dafür wird das gelbe, faserige Fruchtfleisch durch eine einfache Gemüsereibe gerieben, so dass sich der süße, breiige Fruchtanteil aus den Fasern löst und weiterverarbeitet werden kann. Das weißliche Nährgewebe der noch unreifen Frucht ähnelt dem geleeartigen Gewebe aus dem Innern junger Kokosnüsse oder, rein optisch, einer geschälten, kernlosen Litschi. Mehr oder weniger grob von der holzigen Steinkernwand befreit, werden die Samen oft in großen Körben auf Märkten angeboten. Das Nährgewebe kann roh oder geröstet gegessen werden.
Das Wurzelmark der Palmen liefert durch Trocknung Sago (Stärke in Form von Kügelchen). In Sri Lanka werden gekeimte Samen und junge Sprosse geröstet und gemahlen und so ein Mehl (Odiyal) aus ihnen hergestellt. Eine andere Form von Mehl wird gewonnen, indem die Sprosse in der Sonne getrocknet, gekocht, wieder getrocknet und dann gemahlen werden. Dieses Mehl wird auf Sri Lanka, wo diese Prozedur üblich ist, Pulukodiyal genannt. Mehl aus Palmyrasprossen ist jedoch für Nieren und Leber giftig, wenn es nicht mindestens 45 Minuten lang auf über 80°C erhitzt wurde.
Im Kongo und anderswo in den afrikanischen Tropen nutzt man die reifen und überreifen Früchte von Borassus aethiopum als Repellent gegen Moskitos: die intensiv fruchtig duftenden, orange gefärbten Früchte stellt man ins Schlafzimmer. Der Geruch verbreitet sich im ganzen Raum und soll Moskitos fern halten.
Durch Verbrennen der Blätter kann Pottasche gewonnen werden.
Quellenverzeichnis: