Horizonte Zingst: Flora obscura am Ostseestrand

Als mich im grauen, kalten Februar Edda Fahrenhorst fragte, ob ich beim kommenden Umweltfotofestival „Horizonte Zingst“ im Juni die große Ausstellung am Strand bespielen möchte, hatte ich eigentlich gerade ganz andere Sorgen. Ich arbeitete mich nämlich in eine neue Arbeitsstelle ein, außerdem kamen bereits 4  Ausstellungen zwischen März und Mai auf mich zu. Meine Reaktion auf ihre Anfrage, auf die jede/r ambitionierte Fotograf/in kaum zu hoffen wagt, wird ihr vielleicht etwas zu wenig enthusiastisch vorgekommen sein. Alle, ja wirklich ALLE meine Bilder wollten sie sichten? Bis dahin wusste ich nicht mal, wieviele das sind; ein paar Tausend halt. Fast wäre meine Motivation schon an der Bedingung gescheitert, beim Festival anwesend sein zu müssen. In diesem Februar erschien es mir von Frankfurt bis Zingst wie eine halbe Weltreise, und der Frühsommer war jetzt schon voller Termine und anderer Verbindlichkeiten. Aber hätte ich irrwitzigerweise abgesagt, wäre mir ziemlich was entgangen. Eine schöne Zeit war das in Zingst…

Flora – 16. Umweltfotofestival Zingst

Das 16. Umweltfotofestival in Zingst sollte dieses Jahr „Flora“ heißen. Wie passend für mein Projekt. Mit vollem Ehrgeiz konnte ich mich aber nicht einbringen, weil vor allem mein neuer Job meine ganze Konzentration brauchte. Ich arbeitete alle Anfragen und Aufgaben irgendwie nur ab, mit denen das Team des Horizonte-Festivals an mich herantrat, damit der Ehrenplatz des Festivals mit den essbaren Pflanzen von Flora obscura befüllt sein würde. Zingst schien da noch weit weg. Am Fronleichnamwochenende, 07. – 11. Juni, holte Zingst mich dann ein, bzw. zu sich, und ich war ziemlich unvorbereitet.

Als ich am frühen Mittwoch-Abend des 07. Juni nach 8 Stunden Zugfahren (über 1 Stunde verspätet) und 1 Stunde Autofahren in meinem Hotel ankam, platzte ich mit meinem Rollkoffer in die gerade beginnende Festival-Eröffnung. Die große Eröffnungsfeier fand nämlich in diesem Hotel statt, und so suchte ich mir mit meinem Gepäck den Weg durch hundert Gäste mit Sektgläsern in der Hand zur Rezeption. Ich zog mich binnen 2 Minuten im Hotelzimmer um und fand noch rechtzeitig einen Sitzplatz, bevor die feierlichen und unterhaltsamen Eröffnungsreden begannen. Erst nach Ende der Veranstaltung konnte ich zum Strand laufen und mich vom Anblick meiner eigenen, gigantischen Ausstellung an diesem wundervollen Strand überwältigen lassen. Meine Familie war auch angereist und hatte mir bereits Bilder geschickt, sie erwarteten mich. Endlich, gegen 21 Uhr, konnte ich meine Ausstellung mit eigenen Augen sehen.

Flora obscura am Ostseestrand neben der Seebrücke in Zingst

3 mal 3 Meter groß sind die einzelnen Fotowände. 10 Aufsteller mit je 3 Seiten sind es. Darauf abgebildet: vom Kuratorium der Veranstalter ausgsuchte Motive aus 10 Jahren meines Schaffens. Auch das wurde mir erst dort bewusst: mein 10-jähriges Jubiläum als Pflanzen-Fotografin. Motive aus meiner Anfangszeit stehen hier gleichwertig neben meinen neuesten Werken. Für mich war das ein spannender Blick auf meine Entwicklung als Fotografin. Ich selbst sehe die Qualitätsunterschiede, die 10 Jahre Erfahrungsunterschied ausmachen. Die Ausstellungsbesucher sehen sie hoffentlich nicht. Ich hoffe, sie lassen sich einfach von den Motiven in den Bann ziehen. Rätseln über die Meerkohlblüte, staunen über die türkise Farbe der Ussuri-Scheinrebe, sind fasziniert von den vielen Details der Japanischen Weinbeere. Nahe vor diesen Wänden zu stehen und die zumeist sehr kleinen Objekte in solcher Größe zu sehen, dass sie fast das ganze Sehfeld ausfüllen, erinnert mich an den Blick durch meinen Kamerasucher, als ich die kleinen Beeren und Blüten fotografiert hatte. Damals erschienen mir die kleinen Objekte auch so riesig. Nun kann ich diesen Eindruck wohl mit vielen Betrachtern teilen, und dieser Gedanke machte mir Freude.

Sonnenuntergang in Zingst mit Blick auf die Noni-Frucht

Ich gehe barfuß durch den schon kühleren Sand um alle Aufsteller herum. Die Ostseewellen plätschern friedlich, Möwen rufen, die Sonne kommt dem Horizont langsam näher. Es ist etwa 30 Jahre her, als ich zuletzt an der Ostsee war. Nun bin ich endlich wieder an ihren Ufern, mit meiner Familie, und mit meinem Herzensprojekt. Uns steht ein langes, fantastisches Wochenende in Zingst bevor.

Führungen, die im Sande verliefen

Ich erwarte meine Gäste für die erste Führung durch meine Ausstellung. © Michael Wohl

Ich war aber nicht (nur) zum Urlaub machen in Zingst, ich hatte einen Auftrag: meine Ausstellung zu präsentieren. Am Donnerstag, den 8. Juni, hatte ich meine erste von 2 Führungen durch meine Ausstellung. Die Sonne schien, ich stapfte wieder barfuß durch den feinen Sand, diesmal zusammen mit ungefähr 20 interessierten Teilnehmenden. Ich stellte sowohl mich als auch mein Projekt kurz vor, dann gingen wir von Bild zu Bild. Eigentlich hatte ich mich auf die Führung vorbereiten wollen, doch mir kamen zu allen Pflanzen, die hier zu sehen waren, ganz spontan Gedanken und Ideen. Ich hätte viele Stunden zu den Pflanzen erzählen können, ich hätte stundenlang Geschichten vom Suchen, Finden und Sammeln und von manchen Herausforderungen beim Fotografieren erzählen können. Auf 1 Stunde konnte ich die Führung dann doch begrenzen, oder ich musste es sogar, denn ich war bald heiser. Es ist ein Unterschied, in einem ruhigen Raum zum Publikum zu sprechen, oder am Meer zu stehen und gegen die Geräuschkulisse zu weit auseinander stehenden Leuten zu reden.

Alle 3 Bilder der Führung von © Michael Wohl:

Zwei Tage später sollte die nächste Führung durch meine Ausstellung noch schwieriger werden: es war sehr stürmisch geworden, statt friedlich plätschernder Wellen donnerten größere Wogen mit Wucht an den Strand. Ein paar Minuten am Strand, und man war vom Sand paniert, er war überall, besonders zwischen den Zähnen, in den Augen und in den Ohren. Trotz dieser widrigen Umstände kamen Interessierte zur Führung. Im Windschatten der großen Wände war das Sprechen und Zuhören etwas einfacher, doch für alle Teilnehmenden eine Herausforderung. Umso dankbarer war ich, dass ich auch heute Besuchern von meinen liebsten Fotomotiven erzählen durfte.

Dieses tolle Foto von Kirsten Bruns zeigt, wie der Sand vom Sturm hochgeweht wird – wer da drin steht, ist in kurzer Zeit paniert.

Interview und Vernissage

Am selben Abend und bei den selben Wetterkonditionen galt es aber noch, ein Interview mit einem Kamerateam des NDR zu führen. Ein unmögliches Unterfangen bei dem Sturm, dachte ich jedenfalls. Ich unterschätzte die Fähigkeiten der Tontechnik, die tatsächlich das Sturmgetöse unterdrücken konnte. Andreas Trampe vom STERN-Magazin hielt während meines Interviews den Reflektor. Er machte aber noch mehr: er präsentierte auch meine Ausstellung! Weshalb mein Projekt 3 Wochen vorher Mitte Mai auf 11 Seiten im STERN-Magazin Nr. 20 präsentiert wurde (siehe hier)! Andreas war sehr von meinem Projekt und meinen Fotografien angetan. Wir haben uns vor und während des Festivals viele Male darüber und über meine Beweggründe für das Projekt angeregt unterhalten. Ich war froh, ihn während der Vernissage und des Filmdrehs an meiner Seite gehabt zu haben. Denn ich muss zugeben, dass mir die ganze Aufmerksamkeit viele Male Lampenfieber bereitet hatte, die Andreas aber wenigstens ein bisschen vertreiben konnte. An dieser Stelle danke nochmal für das Radler, lieber Andreas!

Das sehr nette Kamerateam vom NDR führt das Interview mit mir für einen kleinen Präsentationsfilm anlässlich meiner bevorstehenden Vernissage. © Michael Wohl

Das Radler mit Andreas genoss ich unmittelbar vor der Vernissage, die ebenfalls am stürmischen Strand stattfand. Wir saßen bis dahin an der Bar auf der anderen Seite der Seebrücke. Pünktlich gingen wir zu meiner Ausstellung, wo schon viele Leute warteten, darunter auch Kuratorin Edda Fahrenhorst, die meine Ausstellung nun, da wir da waren, feierlich eröffnen konnte. Zum Glück hatte sie ein Mikrofon, das nicht nur ihre Stimmbänder schonte, sondern auch die von Andreas und mir. Denn Andreas stellte mir vor dem interessierten Publikum viele unterhaltsame Fragen, und wir reichten uns das Mikrofon hin und her. Auch Leute aus dem Publikum hatten noch Fragen an mich gerichtet, es hatte mir Spaß gemacht, sie zu beantworten.

Nach der Vernissage: ich zwischen Andreas Trampe und Edda Fahrenhorst, hinter uns: die Pohutukawa-Blüte.

Der aufregende Höhepunkt meines Festival-Mitwirkens war nun geschafft und ich war Edda und Andreas unendlich dankbar, dass sie mir ermöglicht hatten, diese schöne Ausstellung mit ihnen zu machen. Nun warteten wir auf die allabendliche Bilderflut, in der mein Interview gezeigt werden sollte. Doch an diesem Abend war sie in Gefahr: die große Leinwand wird nämlich jeden Abend aufgeblasen, sie ist sowas wie eine riesige Luftmatratze, die mit Seilen festgehalten wird. Weil es so stürmisch war, wurde überlegt, die Schau ins Hotel Vier-Jahreszeiten zu verlegen.

Bilderflut am Strand

Auf der anderen, weniger stürmischen Seite der Seebrücke, findet jeden Abend zur Zeit des Fotofestivals die sogenannte „Bilderflut“ statt. Das emsige Filmteam sammelt den ganzen Tag Eindrücke des Festivals, dokumentiert Workshops und Veranstaltungen, interviewt Teilnehmende, geht in die Verkaufszelte, und zum Schluss wird das Foto des Tages gewählt,: alle dürfen ihre Werke einreichen und zur Wahl stellen. Die Bilderflut ist damit wohl der Höhepunkt jeden Festival-Tages und zieht jeden Abend hunderte Gäste an. In Sonnenliegen, auf Bänken oder direkt auf dem Sand sitzend genießen die Leute bei einem leckeren Cocktail oder Bier die Eindrücke des Tages und manche hoffen, sich selbst auf der großen Leinwand zu entdecken. Darum bangte nicht nur ich darum, ob die Bilderflut sturmbedingt ausfallen bzw. verlegt werden muss. Ein Hoch auf die Betreiber, die trotz des Sturms entschieden, die Leinwand aufzustellen und sie nicht davonwehen ließen!

Mit Aufregung erwartete ich meinen Auftritt. Die FilmemacherInnen haben einen fantastischen Film produziert:

Das Umweltfotofestival Horizonte Zingst

Ausstellung „Urban Farming“ von Mario Wezel Ausstellung „Urban Paradise“ von Tamina-Florentine Zuch Waldschadensbericht von Peter Bialobrzeski

Doch auch wer nicht die Gelegenheit bekommt, am Zingster Ostseestrand auszustellen, sollte das Festival besuchen. Zingst ist wunderschön, das Festival bietet Fotografinnen und Fotografen viel Gelegenheit, den eigenen fotografischen Horizont durch Workshops und viele spannende Ausstellungen (hier eine kleine Auswahl) zu erweitern, und auch die Fotoausrüstung kann hier erweitert werden. Alles, was mit Fotografie zu tun hat, ist hier vertreten.

Galerie Stone „Bäume, Blüten und Gewächse“ in der Panzerhalle Bilderflut am Strand

Meine Ausstellung an der Seebrücke Zingst ist auch als online-3D-Rundgang auf der Festival-Website zu begehen (hier). Im Juli wird die Ausstellung am Strand für einige Wochen abgebaut, um Badegästen Platz zu machen. Mitte oder Ende August werden die großen Bildwände wieder aufgebaut und bleiben bis in den Oktober stehen.

Dank

Gesponsored wurde meine Ausstellung in Zingst von Epson, Filmolux und Multipanel, der STERN hat meine Ausstellung präsentiert, ich danke ihnen allen sehr!

Großer Dank gilt Andreas Trampe vom STERN-Magazin für seine Begleitung in Lampenfieber-Situationen, für seine Begeisterung für meine Arbeit und einfach für die gute Zeit, die ich mit ihm hatte. Ebenso danke ich Edda Fahrenhorst und ihrem Team: dafür, dass sie mir diese wunderbare Ausstellung ermöglicht haben, für ihre Freundlichkeit, für ihre fantastische Arbeit, und für ihre Geduld mit mir, als ich noch zu sehr mit meiner neuen Arbeitsstelle beschäftigt war und nicht genug Aufmerksamkeit für Zingst hatte. Euch allen verdanke ich eine großartige Erfahrung, eine beeindruckende Ausstellung und wunderschöne Tage in Zingst!

Bildernachweis: © von Michael Wohl und Kirsten Bruns, wo angegeben (auch euch lieben Dank!). Alle anderen ohne Autorenhinweis: © Jennifer Markwirth und Cornelia Markwirth (danke Mama!).

© Jennifer Markwirth 2024, https://flora-obscura.de/
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